BGH, Urteil vom 29.03.2006, Az. VIII ZR 173 (OLG Hamm)
OLG Hamm, Urteil vom 02.03.2007, Az. 11 U 43/04

Immer wieder beschäftigt Gerichte die Frage, ob ein gekauftes Pferd, das innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe erkrankt, ebenso an den Verkäufer zurückgegeben werden kann wie ein defektes Radio. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) regelt in § 90a, dass Tiere zwar keine Sachen sind, rechtlich aber wie solche behandelt werden. In der Praxis können daher Regelungen, die Probleme im Zusammenhang mit Mängeln bei Autos oder Fernsehern prima lösen, beim Pferdekauf Schwierigkeiten bereiten.

Sachverhalt

Die Beklagte, eine Züchterin von Arabern, verkaufte dem Kläger am 18.03.2002 einen 1997 geborenen Hengst zum Preis von € 7.100,00 zur Durchführung von Distanzritten. Die Übergabe des Pferdes fand am gleichen Tag statt. Am 30.08.2002 stellte der Tierarzt des Klägers fest, dass das Pferd an einem Sommerekzem leidet. Hierbei handelt es sich um eine allergische Reaktion auf den Speichel bestimmter stechender Insekten. In der Folge bilden sich unter der Haut kleine Knoten. Aufgrund des Juckreizes scheuern sich betroffene Pferde, so dass kahle Hautpartien sowie offene und nässende Wunden entstehen können.

Der Kläger trat daraufhin mit Schreiben vom 17.09.2002 unter Berufung auf gesundheitliche Mängel des Pferdes vom Kauf zurück und verlangte die Rückabwicklung des Vertrages sowie Ersatz der notwendigen Kosten für die Unterbringung, Pflege, tierärztliche Versorgung etc. des Pferdes.

Verbrauchsgüterkauf

Zunächst stellte der Bundesgerichtshof (BGH) klar, dass es sich vorliegend um einen sog. Verbrauchsgüterkauf gemäß § 474 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt, da ein Vertrag zwischen einem Verbraucher (Kläger) und einem Unternehmer (Beklagte) vorliegt.

Die Beklagte hatte eingewendet, keinen Gewinn mit ihrer Pferdezucht erzielen zu wollen, sondern lediglich Verluste zu reduzieren. Sie sei daher keine Unternehmerin. Im Interesse eines wirksamen Verbraucherschutzes kam es nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht auf die Gewinnerzielungsabsicht des Verkäufers als rein unternehmensinterne Tatsache an, da der Verbraucher in der Regel bei Abschluss des Vertrages nicht zu erkennen vermag, ob sein Vertragspartner die Absicht habe, Gewinne zu erzielen. Beim Verbrauchsgüterkauf setzt das Vorliegen eines Gewerbes und damit die Begründung der Unternehmerstellung daher nicht voraus, dass der Verkäufer mit Gewinnerzielungsabsicht handelt.

Vermutung des § 476 BGB

Damit lagen für den BGH die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Beweislastumkehr des § 476 BGB vor. Diese Vorschrift begründet bei Auftreten eines Sachmangels innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang, d.h. vorliegend seit Übergabe des Pferdes, die Vermutung, dass dieser Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag. Es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.

Eine Beweislastumkehr kommt häufig beim Vorliegen von Tierkrankheiten nicht in Betracht, da wegen der Ungewissheiten über den Zeitraum zwischen Infektion und Ausbruch der Krankheit nicht selten ungeklärt bleibt, ob eine Ansteckung bereits vor oder erst nach Lieferung des Tieres an den Käufer erfolgt ist. Da es sich bei einem Sommerekzem aber um eine saisonal sichtbare Allergie handelt, deren Symptome die Beklagte vor Verkauf im Sommer/Herbst 2001 hätte feststellen können, schließt die vorliegende Erkrankung die Vermutung des § 476 BGB nicht aus.

Damit oblag es der beklagten Araberzüchterin, die Vermutung des § 476 BGB zu widerlegen, indem sie beweist, dass das Pferd bei Übergabe noch nicht am Sommerekzem erkrankt war. Dieser Beweis könnte nach Ansicht des Gerichts z.B. durch Zeugenaussagen geführt werden, dass bei dem streitgegenständlichen Pferd bis zum Zeitpunkt der Übergabe trotz Aufenthalts im Freien keine Symptome des Sommerekzems aufgetreten sind. Zur weiteren Beweiserhebung verwies der BGH daher den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück.

Wie ging es weiter?

Nach Anhörung von Zeugen gelangte das Berufungsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung zu der Überzeugung, dass bis zur Übergabe des Pferdes im März 2002 keine Symptome eines Sommerekzems zu erkennen waren. Insofern war der Beklagten der Beweis gelungen. Den Prozess hat sie dennoch verloren.

Nicht widerlegen konnte die Beklagte nämlich die weitere Vermutung gemäß § 476 BGB, dass der im August 2002 aufgetretene Sachmangel „Sommerekzem“ auf eine Ursache zurückzuführen ist, die ihrerseits eine vertragswidrige Beschaffenheit darstellt. Denn nach den Feststellungen des Gerichts lag im August 2002 eine hochgradige Sensibilisierung des streitgegenständlichen Pferdes gegen bestimmte stechende Insekten vor. Die Vermutung, dass diese Sensibilisierung bereits bei Übergabe des Pferdes vorhanden war, so dass eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine baldige Erkrankung an einem Sommerekzem bestand, konnte die Beklagte nicht entkräften. Dies wäre z.B. durch einen funktionellen Allergietest (FIT) zum Zeitpunkt der Übergabe des Pferdes möglich gewesen.

Damit ist der Kläger wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten, die Parteien sind zur Rückgewähr der empfangenen Leistungen verpflichtet. Darüber hinaus erhält der Kläger Ersatz seiner notwendigen Verwendungen.

Zusammenfassung

Der Kauf eines Pferdes birgt – gerade bei Auftreten von Krankheiten – ein enormes finanzielles Risiko. Häufig lässt sich nachträglich aber nicht mehr feststellen, ob das Pferd bereits bei Übergabe an den Käufer erkrankt war. Die Beweislastumkehr des § 476 BGB kann – wie das vorhergehende Urteil zeigt – dieses Risiko für den Käufer nicht vollständig abfangen.

Es empfiehlt sich daher für den Verkäufer, eventuelle Erkrankungen des Pferdes bei Abschluss des Kaufvertrages schriftlich festzuhalten. Der Käufer sollte im Zweifelsfall eine Ankaufsuntersuchung durchführen lassen, um sich über den tatsächlichen Gesundheitszustand seines künftigen vierbeinigen Partners Gewissheit zu verschaffen.