LG Münster, Urteil vom 26.06.2013, Az. 026 O 76/12
Da liegt die Abmahnung nun auf ihrem Schreibtisch. Das ist ja schon schlimm genug. Dabei können Sie gar keinen Abmahngrund erkennen.
Müssen Sie jetzt auch noch auf die Abmahnung antworten, um finanzielle Nachteile zu vermeiden oder dürfen Sie diese einfach ignorieren?
Das Landgericht Münster hat sich zu dieser Frage wie folgt geäußert:
Sachverhalt
Die Klägerin ist ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen.
Der Beklagte verkaufte über den Privatbereich verschiedener Internetplattformen im September und Oktober 2012 unter Angabe seiner Handynummer 13 gebrauchte Fahrzeuge.
Die Klägerin mahnte den Beklagten mit Schreiben vom 08.10.2012 und 22.10.2013 ab und forderte ihn auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Sie nahm an, der Kläger gehe einer gewerblichen Verkaufstätigkeit nach.
Nachdem der Beklagte nicht auf die Schreiben der Klägerin reagiert hatte, erhob die Klägerin Klage und nahm den Beklagten auf Unterlassung, Feststellung einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung sowie Zahlung der vorgerichtlichen Anwaltskosten in Anspruch.
Während des Gerichtsverfahrens stellte sich heraus, dass der Beklagte zwar in der Vergangenheit selbständig einen Fahrzeughandel betrieben hatte, er aber nunmehr in Vollzeit abhängig beschäftigt ist. Bereits im Jahr 2011 hatte er den von ihm betriebenen Kfz-Handel abgemeldet. Die von dem Beklagten eingestellten 13 Fahrzeuge hatte er als Privatperson verkauft. Damit stand fest, dass die Klägerin den Beklagten zu Unrecht abgemahnt hatte.
Die Klägerin änderte ihre Klage darauf hin und verlangte von dem Beklagten, die Kosten des Rechtsstreits zu ersetzen. Sie ist der Meinung, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, den wahren Sachverhalt bereits vorprozessual darzulegen. In diesem Fall hätte die Klägerin erst gar keine Klage erhoben.
Der Beklagte ist der Ansicht, ihn treffe keine Aufklärungspflicht, da er zu Unrecht abgemahnt worden sei. Er müsse deshalb auch keine Kosten des Rechtsstreits tragen.
Keine Schadensersatzpflicht des zu Unrecht Abgemahnten
Das Landgericht Münster stellt in seinem Urteil fest, dass der Beklagte nicht verpflichtet war, Schadenersatz in Form von nutzlos aufgewandten Prozesskosten der Klägerin, d.h. die Kosten des vorliegenden Rechtsstreits, zu tragen.
Die Klägerin hatte den Beklagten unstreitig zu Unrecht abgemahnt. In diesen Fällen trifft den Abgemahnten grundsätzlich keine vorprozessuale Aufklärungspflicht.
Ausnahmsweise kann sich eine entsprechende Aufklärungspflicht nach den Ausführungen des Gerichts aber aus dem Anschein eines Wettbewerbsverstoßes oder unter dem Gesichtspunkt einer wettbewerbsrechtlichen Störung ergeben.
In diesem Zusammenhang hat bereits der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Vorgang der Abmahnung als solcher keine wettbewerbsrechtliche Sonderbeziehung begründet (BGH, Urteil vom 01.12.1994, Az. I ZR 139/092).
Das Landgericht Münster verneinte vorliegend auch den Anschein eines Wettbewerbsverstoßes. Bei dem streitgegenständlichen Privatverkauf fehle es bereits an einer wettbewerbsrechtlich rechtswidrigen Beeinträchtigung. Hieran änderten auch die bloße Angabe einer Handynummer (Was hätte der Beklagte als Privatverkäufer sonst tun sollen?) oder der früher durch den Beklagten betriebene Kfz-Handel etwas.
Mangels Aufklärungspflicht durfte der Beklagte daher die Schreiben der Klägerin unbeachtet lassen. Ihn trifft keine Pflicht, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Zusammenfassung
Wer zu Unrecht abgemahnt wird, darf schweigen. Das ist gut zu wissen. Die Herausforderung dürfte aber häufig darin bestehen zu erkennen, ob die Abmahnung tatsächlich zu Unrecht erfolgt ist oder nicht.
Um das Risiko einer rechtlichen Fehleinschätzung zu vermeiden, empfiehlt es sich, bei einer Abmahnung stets anwaltlichen Rat einzuholen. Der Beklagte mag zwar vorliegend gewonnen haben, ob er gleichzeitig auch den effektivsten und zeitsparendsten Weg beschritten hat, wage ich zu bezweifeln.