Schulnoten in Bewertungsportalen sind Meinungsäußerung

LG Kiel, Urteil vom 06.12.2013, Az. 5 O 372/13

Vertrauen ist eine wichtige Grundlage für Kunden, um zu kaufen. Da liegt es nahe, sich an den Erfahrungen derjenigen zu orientieren, die bereits gekauft haben. Waren sie zufrieden oder lautet deren Urteil eher „Finger weg!“? Solche unabhängigen Informationen lassen sich häufig in Bewertungsportalen im Internet finden.

Soweit es sich hierbei um Meinungsäußerungen und Werturteile handelt, sind diese Informationen nach den Feststellungen des Landgerichts Kiel unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit rechtlich geschützt:

Sachverhalt

Der Kläger ist ein langjährig praktizierender Arzt.

Die Beklagte betreibt im Internet ein Portal, auf dem auch Bewertungen über Ärzte veröffentlich werden können. Vor einer Veröffentlichung muss sich ein Bewertender mit einer E-Mail-Adresse bei der Beklagten anmelden, er muss ausdrücklich bestätigen, dass er vom bewerteten Arzt behandelt wurde und über einen an die angegebene E-Mail-Adresse gesendeten Aktivierungslink die Abgabe der Bewertung nochmals bestätigen.

Auf dem Portal der Beklagten wurde am 30.01.2013 eine Bewertung des Klägers eingestellt, die einen Bewertungstext sowie für einzelne Punkte eine Notenbewertung nach Schulnoten von 1 („Sehr gut“) bis 6 („Ungenügend“) mit der Gesamtnote 4,4 beinhaltete.

Nachdem der Kläger den Eintrag beanstandet hatte, löschte die Beklagte den Text zur Bewertung. Eine Löschung der Notenbewertung lehnte die Beklagte dagegen ab.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Bewertung des Klägers vom 30.01.2013 auf dem von ihr betriebenen Internetportal bezüglich der Punkte „Behandlung“, „Aufklärung“, „Praxisausstattung“ und „Telefonische Erreichbarkeit“ zu entfernen.

Grundrecht auf Meinungsfreiheit geht vor

Das Landgericht Kiel hat einen entsprechenden Anspruch des Klägers auf Löschung von Notenbewertungen aus § 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) verneint.

Das Gericht führt aus, dass die Speicherung der Bewertung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG dann zulässig ist, wenn ein Grund zur Annahme eines schutzwürdigen Interesses an dem Ausschluss der Datenerhebung und –speicherung nicht gegeben ist. Vorliegend werde mit den Notenbewertungen nach den Feststellungen des Gerichts eine persönliche Meinung zum Ausdruck gebracht, die nicht objektiv ist und dies auch nicht sein muss. Ob ein schutzwürdiges Interesse vorliegt, ergibt sich daher aus einer Abwägung zwischen dem Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung auf der einen Seite und dem Recht auf Meinungs- und Kommunikationsfreiheit der Bewertenden auf der anderen Seite. Bei dieser Abwägung sei dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit der Vorrang einzuräumen.

Das Gericht weist zudem darauf hin, dass eine Meinung auch irrational oder nicht nachvollziehbar sein kann. Meinungsäußerungen fallen erst dann aus dem rechtlichen Schutzbereich heraus, wenn sie die Grenze zur Schmähkritik überschreiten, d.h. wenn die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht.

Zusammenfassung

Vertrauen ist gut, Kontrolle bekanntermaßen besser. Aber nicht alles lässt sich kontrollieren. Die beste Prophylaxe stellen immer noch zufriedene Kunden dar.

Im Interesse der Allgemeinheit an unabhängigen Informationen über Produkte und Dienstleistungen müssen Bewertungen in einem frei zugänglichen Internetportal als geschützte Meinungsäußerungen grundsätzlich hingenommen werden, im Sinne eines effektiven Schutzes der Meinungsfreiheit sogar dann, wenn diese anonym erfolgen.

Die Verbreitung unrichtiger Tatsachen dagegen ist niemals von der Meinungsfreiheit gedeckt.