LG Bonn, Urteil vom 10.01.2014, Az. 15 O 189/13

Sie ist fast überall zu finden, unsere E-Mail-Anschrift. Sie steht auf der Visitenkarte, dem Briepapier und auf unserer Webseite.

Doch die Angabe einer geschäftlichen E-Mail-Anschrift bringt nicht nur Vorteile in Form einer raschen, kostengünstigen Kommunikation.

Lesen Sie in der nachfolgenden Entscheidung des LG Bonn, welche Pflichten mit dieser Angabe verknüpft sind:

Sachverhalt

Der Beklagte, ein Rechtsanwalt, vertrat die Klägerin vor Gericht.

Da die Klägerin ihre Erfolgsaussichten im Berufungsverfahren als gering einschätzte, beauftragte sie den Beklagten, mit dem Prozessgegner Vergleichsgespräche zu führen.

Der Prozessgegner schrieb dem Beklagten am 23.05.2011 eine E-Mail, in der er eine endgültige Erledigung anbot. Der Prozessgegner war bereit, auf einen Teil seines Anspruchs zu verzichten, falls die Klägerin bis zum 31.05.2011 einen Betrag in Höhe von € 190.000,- zahlt.

Diese E-Mail landete im Spam-Filter des Beklagten. Er unterrichtete die Klägerin zunächst nicht von dieser E-Mail.

Am 30.05.2011 erhielt der Beklagte eine weitere E-Mail des Prozessgegners mit einer Erinnerung, dass das Angebot eine Zahlung am nächsten Tag vorsehe.

Auch von dieser E-Mail unterrichtete der Beklagte die Klägerin zunächst nicht.

Erst am 06.06.2011 teilte der Beklagte der Klägerin den Inhalt der E-Mail vom 23.05.2011 mit. Der Prozessgegner fühlte sich jedoch nicht mehr an sein ursprüngliches Vergleichsangebot gebunden. Es kam kein Vergleich zustande.

Die Berufung der Klägerin wurde anschließend als unzulässig verworfen. Sie zahlte an den Prozessgegner insgesamt € 285.906,72.

Die Klägerin macht gegen den Beklagten Schadenersatzansprüche aus einem Anwaltsvertrag geltend. Sie verlangt die Zahlung der Differenz zu dem (geringeren) Betrag, den sie bei Abschluss des Vergleichs hätte zahlen müssen.

Ein geschäftliches E-Mail-Konto ist täglich zu kontrollieren, auch der Spam-Ordner

Das LG Bonn verurteilte den Beklagten, an die Klägerin wegen Verletzung seiner anwaltlichen Pflichten einen Schaden in Höhe von € 90.096,45 zu ersetzen.

Der Beklagte verletzte seine anwaltliche Pflicht, seine Auftraggeberin vor voraussehbaren und vermeidbaren Schäden zu bewahren, indem er die E-Mail vom 23.05.2011 erst nach dem 31.05.2011 an die Klägerin weiterleitete. Der Klägerin waren somit nicht mehr die rechtzeitige Annahme des Vergleichs und die Erfüllung der Bedingung – Zahlung bis zum 31.05.2011 – möglich.

Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt erfordert es nach Ansicht des Gerichts, dass der Inhaber eines geschäftlichen E-Mail-Kontos mit aktiviertem Spam-Filter täglich seinen Spam-Ordner durchsieht, um versehentlich als Werbung aussortierte E-Mails zurück zu holen. Es liege im Verantwortungsbereich des Beklagten, wenn er eine E-Mail-Adresse zum Empfang von E-Mails zur Verfügung stellt, dass ihn die ihm zugesandten E-Mails erreichen.

Zusammenfassung

Diese Entscheidung betraf zwar einen Anwalt, sie geht aber in ihrer Bedeutung über diese Berufsgruppe hinaus:

Die Angabe einer geschäftlichen Kontaktmöglichkeit per E-Mail geht grundsätzlich für Unternehmer mit entsprechenden Sorgfaltsanforderungen einher: Der Kontoinhaber ist verpflichtet, die E-Mail-Eingänge zu kontrollieren und auch einen Spam-Ordner täglich durchzusehen. Ansonsten riskiert er, eine vertragliche Pflichtverletzung zu begehen und sich schadenersatzpflichtig zu machen.