Welchen Einfluss der Vermieter auf die Farbgestaltung der Mietwohnung nehmen darf
Farbwahlklauseln nennt die Rechtsprechung ein wenig spröde Vereinbarungen in Mietverträgen, in denen der Vermieter dem Mieter einer Wohnung vorschreibt, in welchen Farben die Wohnung während der Mietzeit (nicht) gestrichen werden darf.
In den letzten Jahren musste sich der Bundesgerichtshof (BGH) immer wieder mit der Frage beschäftigen, ob der Vermieter bestimmen darf, in welchen Farben der Mieter die gemietete Wohnung während der Dauer des Mietverhältnisses zu streichen hat. Auch in der Literatur ist diese Frage Gegenstand von z.T. heftigen Auseinandersetzungen; kein Wunder angesichts des Umstandes, dass Mietverhältnisse ein zentraler Aspekt unseres Alltags sind.
Ausgangslage
Das Problem liegt auf der Hand: Der Mieter möchte während der Dauer der Mietzeit in einer Wohnung leben, die seinem Geschmack entspricht, entsprechend richtet er sie ein, dekoriert und streicht sie gegebenenfalls. Auf der anderen Seite möchte der Vermieter – spätestens bei Beendigung des Mietverhältnisses – die Wohnung in einem Zustand zurück erhalten, die ihm eine möglichst unkomplizierte Weitervermietung ermöglicht. Deshalb haben Vermieter häufig versucht, in die Mietverträge Klauseln aufzunehmen, die den Mieter in der Farbgestaltung einschränken.
BGH, Urteil vom 18.06.2008, Az. VIII ZR 224/07
Schon vor einiger Zeit hat der BGH derartigen Klauseln einen Riegel vorgeschoben: In seiner Entscheidung vom 18.06.2008 hat der BGH erklärt, dass formularvertragliche Klauseln, die den Mieter dazu verpflichten, die auf ihn abgewälzten Schönheitsreparaturen in „neutralen, hellen, deckenden Farben und Tapeten auszuführen”, wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters unwirksam sind. Das Gericht sah in der vorgenannten Klausel eine unangemessene Benachteiligung des Mieters, weil sie ihn auch während des laufenden Mietverhältnisses zu einer Dekoration in der vorgegebenen Farbwahl verpflichtet und dadurch in der Gestaltung seines persönlichen Lebensbereichs einschränkt, ohne dass hierfür ein anerkennenswertes Interesse des Vermieters besteht. Für zulässig hielt das Gericht vielmehr nur solche Klauseln, die sich ausschließlich auf den Beendigungszeitpunkt des Mietverhältnisses beziehen.
BGH, Hinweisbeschluss vom 14.12.2010, Az. VIII ZR 198/10
Im aktuellen Fall musste der BGH nunmehr zu der Frage Stellung nehmen, ob die Klausel „Bei Auszug müssen Decken, Fenster und Türen weiß gestrichen sein.” wirksam ist oder nicht.
Auf den ersten Blick könnte man meinen, der Vermieter habe sich an die Vorgaben des Gerichts gehalten, denn die „Weiß-Klausel“ bezieht sich vorliegend auf den Beendigungszeitpunk des Mietverhältnisses.
Zu Recht weist der BGH jedoch auf folgendes hin: Kann der Vermieter den Mieter für den Fall des Auszugs auf die Farbe Weiß festlegen, würde dies die Lebensführung des Mieters schon während der Mietzeit über die Maßen beeinträchtigen können. Der sich an wirtschaftlichen Erwägungen orientierende Mieter würde dann nämlich u.U. schon während der Mietzeit seine Wohnung weiß streichen, nur um zu verhindern, bei seinem Auszug eine von ihm verwendete andere dezente Farbe mit weiß überstreichen zu müssen.
Mit anderen Worten: Könnte der Vermieter dem Mieter vorschreiben, die Wohnung weiß gestrichen zurückzugeben, könnte er ihm auch gleich vorschreiben, während der Mietzeit Anstriche nur in weiß vorzunehmen.
Keine unangemessene Mieterbenachteiligung
Im Ergebnis hat der BGH deshalb die oben genannte Klausel verworfen. Der Kernsatz des Beschlusses lautet: „Danach benachteiligt eine Farbwahlklausel den Mieter (nur) dann nicht unangemessen, wenn sie ausschließlich für den Zeitpunkt der Rückgabe Geltung beansprucht und dem Mieter noch einen gewissen Spielraum lässt.“ Der Mieter darf daher einen dezenten Farbton seiner Wahl verwenden.
Was sind dezente Farbtöne?
Wer meint, nun sei alles klar, liegt aber dennoch nicht ganz richtig: Schließlich können sich Vermieter und Mieter immer noch trefflich um die Frage streiten, wo die dezenten Farben aufhören und die ungewöhnliche Wohnungsdekoration anfängt. Auch dazu hat sich der BGH schon geäußert: „Für den durchschnittlichen Mieter ist ohne Weiteres ersichtlich, ?…? dass farbige Gestaltungen wie (zartes) Lindgrün oder Hellblau zwar „hell” sein mögen, aber zu vielen Einrichtungsarten nicht passen ?…?.“ Entscheidend ist also, ob die Farbgestaltung der Mieträume für einen durchschnittlichen Nachmieter einen zumutbaren Zustand darstellt.
Ebenfalls noch nicht geklärt ist die Frage, ob ohne eine entsprechende Rückgabeklausel der Mieter in seiner Farbwahl völlig frei ist oder nicht. Auch diese Frage hat die höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht abschließend beantwortet.
Fazit
Es wird also auch weiterhin recht bunt zugehen vor Gericht, wenn über blassrosa, sonnengelb u.Ä. gestritten wird.