AG Dieburg, Urteil vom 04.11.2015, Az. 20 C 218/15

Seit dem 13.06.2014 gelten für das Widerrufsrecht die gesetzlichen Neuregelungen der §§ 355 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Während vor dieser Neuregelung der Widerruf auch durch Rücksendung der Ware innerhalb der Widerrufsfrist erklärt werden konnte, lautet § 355 Absatz 1, Satz 2, 3 BGB nunmehr wie folgt:

„Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen.“

Um einen Widerruf zu erklären, genügt daher die bloße Rücksendung der Ware nach dem Willen des Gesetzgebers nicht mehr.

Aber was passiert, wenn der Kunde die von ihm bestellte Ware nicht annimmt? Reicht das möglicherweise für eine Widerrufserklärung?

Diese Frage beantwortet das Amtsgericht Dieburg in seiner nachfolgenden Entscheidung:

Sachverhalt

Der Kläger kaufte am 07.08.2014 über die Internetplattform ebay bei der Beklagten für seine Wohngemeinschaft 480 Dosen eines Erfrischungsgetränks für € 45,50 plus Versandkosten in Höhe von € 35,00.

Die Gesamtsumme in Höhe von € 80,50 überwies der Kläger an die Beklagte.

Am 21.08.2014 lieferte die Beklagte die bestellten Getränke an den Kläger über ein Beförderungsunternehmen in insgesamt fünf Pakten.

Nachdem der Lieferant drei der fünf Pakete ausgeladen hatte, verweigerte der Kläger die Annahme der restlichen Pakete.

In einer E-Mail vom 19.10.2014 forderte der Kläger von der Beklagten die Rückzahlung von € 32,20 (= 2/5 der Gesamtsumme) auf.

Der Kläger klagt gegen die Beklagte auf Zahlung dieses Betrages in Höhe von € 32,20. Er ist der Ansicht, er habe den Vertrag mit der Beklagten zum Teil widerrufen, indem er die Annahme von zwei der fünf Pakete verweigerte.

Keine Widerrufserklärung durch Ablehnung der Pakete

Das AG Dieburg verneint den Anspruch des Klägers auf Zahlung mangels eines rechtzeitigen Widerrufs.

Das Gericht stellt zunächst fest, dass nach der Neuregelung des Widerrufsrechts seit dem 13.06.2014 die bloße Verweigerung der Annahme der Ware die Anforderungen des § 355 Absatz 1, Satz 2, 3 BGB an eine eindeutige Erklärung des Widerrufs nicht erfüllt.

Beginn der Widerrufsfrist

Dagegen sei die Zahlungsaufforderung des Klägers per E-Mail vom 19.10.2014 als Widerruf zu bewerten. Dieser kam allerdings zu spät.

Nach den Ausführungen des Gerichts begann die Widerrufsfrist von 14 Tagen mit Erhalt der Ware durch den Kläger, d.h. ihrem physischem Empfang am 21.08.2014. Der Kläger nahm an diesem Tag auch die beiden abgelehnten Pakete in Besitz, da er mit der Anweisung an den Lieferanten, diese beiden Pakete zurückzuschicken, von seiner Sachherrschaft Gebraucht gemacht hat. Der Kläger hatte nämlich die Möglichkeit, über alle Pakete zu verfügen und den Inhalt zu überprüfen, obwohl der Lieferant diese einzeln aus dem Lieferwagen zur Haustür des Klägers transportierte.

Die Erklärung des Widerrufs am 19.10.2014 erfolgte damit außerhalb der Widerrufsfrist.

Zusammenfassung

Leider erfährt der interessierte Leser nicht, mit welchem Erfrischungsgetränk sich der Kläger hier bevorraten wollte.

Von dieser Informationslücke abgesehen: Das Amtsgericht Dieburg weist in seiner Entscheidung auf eine praktische Auswirkung der gesetzlichen Neuregelungen des Widerrufsrechts hin.

Käufer, denen ein Widerrufsrecht zusteht, können diesen nicht mehr durch Rücksendung der Ware oder die Verweigerung ihrer Annahme erklären. Es bedarf vielmehr einer eindeutigen Erklärung gegenüber dem Verkäufer.

Verbraucher, die plötzlich glauben, den eigenen Getränkebedarf bei einer Online-Bestellung überschätzt zu haben, sollten dies künftig beachten. Und alle anderen auch.