AG Brandenburg, Urteil vom 23.07.2012, Az. 37 C 54/12 (rechtskräftig)
Fluch oder Segen? Bei der Tätigkeit von Inkassounternehmen gehen die Meinungen auseinander.
Spannend wird es vor allem, wenn der Gläubiger vom Schuldner auch den Ersatz der (manchmal überraschend hohen) Kosten eines von ihm beauftragten Inkassounternehmens als sog. Verzugsschaden verlangt. Die Rechtsprechung hierzu ist vielfältig. Das nachfolgende Urteil des AG Brandenburg beschäftigt sich mit genau dieser Frage und grenzt die Erstattungsfähigkeit der Inkassokosten radikal ein.
Sachverhalt
Die Beklagte bestellte bei der Klägerin Waren zum Preis von € 789,72 und zahlte nicht. Die Klägerin mahnte den Rechnungsbetrag dreimal an und übergab die Forderungsangelegenheit anschließend an ein Inkassounternehmen. Für die Tätigkeit des Inkassounternehmens sollte die Beklagte weitere Kosten in Höhe von € 117,00 bezahlen.
Sind Inkassokosten als Verzugsschaden erstattungsfähig?
Das Gericht stellt zunächst fest, dass Inkassokosten im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erstattungsfähig sind. Es präzisiert jedoch die Erstattungsfähigkeit dieser Kosten dahingehend, dass die vorgerichtliche Beauftragung des Inkassounternehmens „eine erforderliche und zweckmäßige Maßnahme zur Schadensabwehr bzw. –minimierung“ sein müsse, da den Gläubiger gemäß § 254 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine Schadensminderungspflicht treffe.
Anschließend prüft das Gericht verschiedene Fallgestaltungen durch und kommt zu dem Schluss, dass es für die Beitreibung von Forderungen im vorgerichtlichen Bereich keines Inkassounternehmens bedürfe, zumindest dann nicht, wenn dieses „seriös, d.h. ohne unzulässige Druckmittel“ arbeite. Vielmehr könne der Gläubiger „wesentlich kostengünstiger ohne erkennbare Einbußen in der Wirksamkeit selbst mahnen“ oder „in rechtlich schwierigen Fällen oder bei hartnäckiger Weigerung des Schuldners mit deutlich höherer Erfolgsaussicht, aber teilweise deutlich geringeren Kosten den Gerichtsweg (Mahnverfahren) beschreiten bzw. einen Rechtsanwalt beauftragen“.
Das Gericht führt aus, dass „Inkassounternehmen über kein nachhaltiges Druckmittel, das über die eigenen Möglichkeiten des Gläubigers hinausgeht“, verfügen. Nach Ansicht des Gerichts dürfte der Druck durch ein Rechtsanwaltsschreiben oder durch einen gerichtlich zugestellten Mahnbescheid deutlich höher sein als der Druck, den das Schreiben eines seriösen Inkassounternehmens verursacht.
Vorliegend sprach das Gericht der Klägerin daher lediglich Inkassokosten in Höhe von € 3,00 zu. In dieser Höhe wären der Klägerin ebenfalls Unkosten entstanden, wenn sie selbst gemahnt hätte.
Zusammenfassung
Die Rechtsansicht des AG Brandenburg müsste, konsequent angewendet, zu einer rigorosen Einschränkung der Tätigkeit von Inkassounternehmen führen. Dazu wird es wohl nicht kommen. Doch auch wenn dieses Urteil nicht der herrschenden Meinung entspricht, dürfte die ausführliche Urteilsbegründung allen Interessierten bei Bedarf zahlreiche Argumentationshilfen liefern.