Wann ist das Widerrufsrecht wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen?

BGH, Urteil vom 16.03.2016, Az. VIII ZR 146/15 (AG Rottweil , LG Rottweil)

Verbrauchern steht im Zusammenhang mit Fernabsatzgeschäften gegenüber dem Unternehmer ein Widerrufsrecht zu. Die Ausübung seines Widerrufsrechts muss der Verbraucher nicht begründen.

Was aber passiert, wenn der Verbraucher unter Hinweis auf sein Widerrufsrecht versucht, für sich selbst nachträglich günstigere Vertragsbedingungen auszuhandeln? Verstößt das nicht gegen Sinn und Zweck des Widerrufsrechts?

In seiner nachfolgenden Entscheidung hat sich der Bundesgerichtshof zu diesen Fragen geäußert:

Sachverhalt

Der Kläger bestellte am 14.01.2014 über die Webseite der Beklagten zwei Matratzen zum Preis von insgesamt € 417,10. Die Matratzen wurden von der Beklagten ausgeliefert und vom Kläger bezahlt.

In der Folgezeit kontaktierte der Kläger die Beklagte und bat diese unter Hinweis auf ihre „Tiefpreisgarantie“ um Erstattung von € 32,98, da er die gekauften Matratzen bei einem anderen Anbieter um diesen Betrag günstiger bekommen könne. Bei Erstattung werde er von seinem ihm zustehenden Widerrufsrecht absehen.

Die Beklagte ging auf die Bitte um Kaufpreisreduzierung nicht ein. Der Kläger widerrief daraufhin per E-Mail vom 02.02.2014 den Kaufvertrag und sandte die Matratzen zurück.

Die Beklagte weigerte sich, dem Kläger seinen Kaufpreis in Höhe von € 417,10 zu erstatten.

Motiv für die Ausübung des Widerrufsrechts spielt keine Rolle

In seiner vorliegenden Revisionsentscheidung bestätigt der Bundesgerichtshof, dass die Beklagte dem Kläger gemäß § 312d Abs. 1 Satz 1, § 355 Abs. 1 Satz 1, § 357 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aF in Verbindung mit § 346 Abs. 1 BGB den Kaufpreis für die Matratzen erstatten muss. Der Kläger hatte den im Wege des Fernabsatzes geschlossenen Vertrag wirksam widerrufen.

Da ein Verbraucher nicht gehalten ist, vor Ausübung seines Widerrufsrechts eine Begründung abzugeben, so könne es ihm nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auch nicht zum Nachteil gereichen, wenn aus seinem übrigen Verhalten ein Motiv für die Ausübung des Widerrufs zutage trete, welches mit dem Sinn und Zweck der Einräumung des Widerrufsrechts nicht (vollständig) in Einklang zu bringen sei.

Das Gesetz knüpfe die Ausübung des Widerrufsrechts nicht an ein berechtigtes Interesse des Verbrauchers (etwa an das Nichtgefallen der Ware nach Überprüfung), sondern überlasse es allein seinem freien Willen, ob und aus welchen Gründen er seine Vertragserklärung widerruft.

Ausschluss nur bei besonderer Schutzbedürftigkeit des Unternehmers

Ein Ausschluss des Widerrufsrechts wegen Rechtsmissbrauchs beziehungsweise unzulässiger Rechtsausübung kommt nach der Rechtsprechung des Senats nur ausnahmsweise – unter dem Gesichtspunkt besonderer Schutzbedürftigkeit des Unternehmers – in Betracht, etwa bei arglistigem Verhalten des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer.

Vorliegend war die Grenze zur Arglist oder Schikane nach den Ausführungen des Gerichts aber – offensichtlich – nicht überschritten.

Zusammenfassung

Obwohl die Entscheidung auf den bis zum 12.06.2014 geltenden Fassungen der Widerrufsvorschriften beruht, ist diese immer noch aktuell: Nach wie vor bedarf die Ausübung des Widerrufsrechts durch einen Verbraucher keiner Begründung.

Für Unternehmer spielt es daher keine Rolle, warum sich ein Verbraucher von einem Vertrag lösen will. Verbraucher dürfen vielmehr die Wettbewerbssituation durch das ihnen gewährte Widerrufsrecht ausnutzen.